Zechenhof
„Wir starten im Zechenhof nochmal neu.“
„Der Zechenhof und ich, wir haben uns gefunden“, sagt Hans Kurz* (46). Er lebt seit einem halben Jahr in der Wohn-Einrichtung mit Werkstatt in der Nähe von Borken (Hessen).
*Der Name ist geändert.
Insgesamt wohnen und arbeiten hier 23 Menschen mit und ohne psychische Behinderungen, die suchtkrank sind. „Ich kriege hier die Hilfe, die ich brauche. Auch wenn es mal eng wird.“
Im Leben von Hans Kurz ist es oft schon eng geworden. Mit Problemen hat er früh alleine klar kommen müssen. Sein Vater ist fast nie Zuhause, die Mutter trinkt viel Alkohol. Kurz wird in der Schule gemobbt. Als er nach Hause kommt und weint, sagt seine Mutter: Komm noch einmal so heim, dann setzt es was. „Von da an gibt es jeden Tag eine Schlägerei in der Schule“, erinnert sich der 46-Jährige.
„Ich habe mich in meine eigene Welt zurückgezogen. Das ist eine chaotische Welt gewesen, die ich mit Drogen besser machen wollte.“
Gewalt spielt eine Rolle, vor allem aber auch Drogen. „Ich habe mich in meine eigene Welt zurückgezogen. Das ist eine chaotische Welt gewesen, die ich mit Drogen besser machen wollte.“ Kurz probiert vieles aus: Heroin, LSD, Kokain, Ecstasy und Alkohol. Er probiert aber auch, ein normales Leben zu führen. Er heiratet, bekommt zwei Kinder, arbeitet in verschiedenen Jobs. Doch er kommt von den Drogen nicht weg. Das Familienleben gelingt nicht. Die Kinder kommen zu Pflege-Eltern. „Ich habe es genauso versaut, wie meine Eltern.“ Seine erste Ehe wird geschieden, die zweite auch.
Hans Kurz macht wegen seiner Sucht immer mehr Schulden. Schließlich begeht er einen Einbruch und tötet dabei einen Menschen. Er muss für 11 Jahre ins Gefängnis. „Die Tat hat mich selbst erschreckt.“ Er macht seinen Hauptschul-Abschluss und eine Ausbildung zum Tischler. Und er kommt von den Drogen weg. Nach der Haft muss er für 8 Jahre in den forensischen Maßregelvollzug, kommt aber schon nach 4 Jahren auf Bewährung wieder frei. Er eröffnet ein Tattoo-Studio, das in der Corona-Pandemie Pleite geht. Bei einem Kontrolltermin fällt auf, dass er wieder Drogen nimmt. Er muss zurück ins Gefängnis
Der forensische Maßregelvollzug ist eine Psychiatrie für Menschen, die wegen einer schweren psychischen Krankheit oder einer Sucht-Krankheit ein Verbrechen begangen haben.
Im September 2023 wird Kurz entlassen, allerdings muss er weitere 2 Jahre im geschützten Bereich einer Einrichtung leben. Im Zechenhof wohnt der 46-Jährige nun in einem Einzelzimmer. Er arbeitet in der Tagesstruktur. Noch darf er nicht im Arbeitsbereich der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeiten. „Das ist mein Ziel, später auch ein Praktikum auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.“
„Ich kann hier mit allen Mitarbeitern reden. Aber wenn es was Tiefes ist, dann rede ich mit ihr. “
Hans Kurz hat mit einer Therapie begonnen. Außerdem nimmt er auf dem Zechenhof an pädagogischen Gruppengesprächen und Einzelgesprächen teil. Und er akzeptiert die regelmäßigen Alkoholtests und Zimmerkontrollen. Vor allem aber hat er mit Bezugsbetreuerin und Erzieherin Andrea Szesny (60) ein gutes Verhältnis. „Ich kann hier mit allen Mitarbeitern reden. Aber wenn es was Tiefes ist, dann rede ich mit ihr. Zum Beispiel, wenn mir durch den Kopf geht, wieder Alkohol zu trinken. Mittlerweile weiß ich aber: Das ist es nicht wert.“
Gemeinsam wollen die beiden einen Antrag auf Rente stellen und eine Betreuung vom Gericht beantragen. Und etwas gegen seine Schulden unternehmen. „Ich bin froh, dass ich hier bin“, sagt Hans Kurz. „Er möchte etwas ändern und endlich ein normales Leben führen“, sagt Andrea Szesny. „Wir starten noch mal neu. Und vielleicht kann er nach 2 Jahren in das Betreute Wohnen ziehen.“