Das Ziel damals: Die Selbstversorgung der Klient*innen mit Gemüse. Erst ab 1981 wurden die heutigen Gebäude und Gewächshäuser gebaut, erweiterte die Gärtnerei ihr Angebot um Floristik, Blumen- und Zierpflanzenanbau sowie Außen- und Anlagenpflege und öffnete sich für externe Kund*innen. Heute, 120 Jahre später, geht es wieder verstärkt um Tomate, Gurke, Paprika, Salat & Co: Seit Januar befindet sich die Gärtnerei im Zertifizierungsprozess zum Bioland-Partner.

„Viele WfbMs haben eine Gärtnerei. Unsere Besonderheit ist die Vielfalt und die Bioland-Zertifizierung“, sagt Klaus Lewinsohn (48), Leiter der Gärtnerei. „Kontinuität und Entwicklung zeichnen die Gärtnerei bis heute aus.“ Lewinsohn hat nur vier Vorgänger, die jeweils fast 30 Jahre lang die Gärtnerei führten. Er selbst ist seit Februar 2020 im Amt. Der Handel mit gesundem Gemüse ist sein Thema. 2021 gingen mit den „Schwälmer Rübchen“ die ersten Bioland-zertifizierten Produkte in den Verkauf. „Im Frühjahr werden wir die ersten zertifizierten Zierpflanzen verkaufen können, danach auch die Topfkräuter. Die komplette Gemüse-Umstellung wird zwei Jahre dauern.“

Doch schon jetzt erfüllt die Gärtnerei viele der Bioland-Erwartungen aus eigenem Antrieb. Die selbst produzierten Kräuter, Gemüse und Zierpflanzen werden mit Nützlingen gegen Schädlinge geschützt, aber nicht mit chemischen Düngern oder Pflanzenschutzmitteln behandelt. Viel Handarbeit statt großer Maschinen ist angesagt. Die Fruchtfolge wird geachtet, um die Qualität der Böden zu wahren und Schädlinge fernzuhalten: Auf dem Boden wachsen in diesem Jahr Tomaten und im nächsten Jahr Paprika.

„Als Teil eines diakonischen Unternehmens tragen wir auch Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung.“

Klaus Lewinsohn, Gärtnereileiter

„Wir können zwar preislich nicht mit den Ketten mithalten, aber unsere Qualität ist schon eine besondere“ so Lewinsohn. In zweierlei Hinsicht: Die Gärtnerei fördert Menschen mit Behinderungen, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt häufig keinen Arbeitsplatz finden. Die Klient*innen leisten eine anspruchsvolle und wichtige Arbeit für die Gesellschaft. „Zum anderen tragen wir als Teil eines diakonischen Unternehmens auch Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung“, so Lewinsohn. Dazu zählen unter anderem eine Regenrückgewinnungs- und moderne Bewässerungsanlage, die Nutzung von umweltfreundlichem Strom und Wärme des Blockheizkraftwerkes auf dem Hephata-Gelände sowie die Eigenproduktion von Mulch und Erde aus Baumschnittabfällen.

Das Konzept erfreut sich wachsender Beliebtheit: Im vergangenen Jahr produzierten und verkauften die Mitarbeiter*innen und Klient*innen der Gärtnerei unter anderem vier Tonnen Tomaten. Lewinsohn führte zudem auch die „Grünen Kisten“ ein, die von den meisten Kund*innen wöchentlich gekauft werden und einen Querschnitt durch die angebauten Nahrungsmittel bieten. „Wir bleiben aber auch unserer Tradition verbunden: Im vergangenen Jahr haben wir 3.000 Weihnachtssterne angebaut und auch den Bereich Trauer- und Festfloristik verstärkt“, sagt Lewinsohn.  

Das nächste Projekt ist der Neubau eines Gärtnerei-Ladens neben den Gewächshäusern. Mit Nebenräumen sollen dort ab Mitte nächsten Jahres auf 240 Quadratmetern alle Produkte der Gärtnerei verkauft und Kund*innen individuell beraten werden. Im erweiterten Sortiment sollen dann auch Eigenprodukte der anderen Abteilungen der WfbM, wie Besen und Bürsten, Holzbasteleien oder auch Lebensmittel der Bio-Landwirtschaften Hephatas, im Laden zu finden sein. Klaus Lewinsohn: „Wir entwickeln uns auch mit 120 Jahren auf dem Buckel immer weiter.“

Die Hephata-Gärtnerei

In der Gärtnerei auf dem Hephata-Stammgelände in Treysa arbeiten 50 Klient*innen mit Behinderungen sowie zehn Mitarbeiter*innen. Sie sind in den Bereichen Floristik, Blumen- und Zierpflanzenanbau, Gemüseanbau sowie Außen- und Anlagenpflege tätig. Hinzu kommen zwei Auszubildende der Hephata-Berufshilfe in den Bereichen Floristik und Zierpflanzen sowie bis zu vier Teilnehmende eines Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ). Gemeinsam bewirtschaften sie 2.400 Quadratmeter Gewächshausfläche und 1.000 Quadratmeter Außenfläche. Zudem arbeiten zehn Klient*innen der Gärtnerei in Betriebsintegrierten Beschäftigungsverhältnissen (BiB) in anderen Firmen, größtenteils in kommunalen Bauhöfen. Im Jahr 2020 zeichnete die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) die Gärtnerei für ihr Umweltbewusstsein sowie ihre nachhaltige und soziale Arbeit mit dem Umweltpreis aus.