Die lange Geschichte der Hephata Diakonie und des Hessischen Brüderhauses hält neben vielen hellen auch einige dunkle Kapitel bereit. Als Hephata sich 2021 der Initiative „Offen für Vielfalt – geschlossen gegen Ausgrenzung“ anschloss, geschah das zum einen mit dem Blick auf gesellschaftliche Tendenzen der Gegenwart, zum anderen aber auch vor dem Hintergrund der eigenen Vergangenheit. Die mahnende Erinnerung an rund 400 Menschen, die zwischen 1937 und 1939 aus Hephata abtransportiert wurden, ragt hier besonders erschreckend heraus. Aber auch die Geschichte von Diakon Richard Altschul gehört dazu, der aufgrund seiner Herkunft durch die Verantwortlichen des Hessischen Brüderhauses zunehmend ausgegrenzt wurde. 1939 teilt ihm der damalige Vorsteher, Pfarrer Friedrich Happich, den Beschluss des Brüderrates mit, er solle seinen sofortigen Austritt aus der Brüderschaft und der Deutschen Diakonenschaft erklären. In den Unterlagen findet sich als Begründung die Notiz „nicht arisch“. Sein Leidensweg führt Richard Altschul nach seiner Verhaftung 1942 zunächst in das sog. Arbeitserziehungslager Breitenau. 1943 wird er von Breitenau ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert und hier am 30. Oktober 1943 ermordet. Inzwischen erinnert eine Stele vor dem Brüderhaus auf dem Stammgelände der Hephata Diakonie an Richard Altschul. 

Richard Altschul war aller Wahrscheinlichkeit nach der einzige „getaufte nichtarische“ Diakon im Hessischen Brüderhaus in den Jahren 1933 bis 1945. Peter Göbel-Braun, Pfarrer i.R., ehemaliger Direktor der Hephata Diakonie und Mitglied der Diakonischen Gemeinschaft, ist dieser Frage akribisch nachgegangen. Er leuchtet die Ereignisse um Richard Altschul durch eine kleinteilige chronologische Einordnung aus. Klug, kenntnisreich und mit klarer Haltung nimmt er die Leserschaft durch einen ausführlichen Vorspann mit auf einen exemplarischen Weg der Ausgrenzung auch in den Kontexten der Diakonie in der Zeit des Nationalsozialismus, an dessen Ende Gewalt und Ermordung standen. Peter Göbel-Braun ist für die vorliegende Arbeit sehr zu danken. Es sind nicht zuletzt solche Blicke zurück, die den Blick nach vorn schärfen - im Sinne der Offenheit für Vielfalt und der Geschlossenheit gegen Ausgrezung. 

Maik Dietrich-Gibhardt, Hephata-Direktor und Vorsteher der Diakonischen Gemeinschaft Hephata