"Dem Bedarf an Pflegefamilien ist kaum zu begegnen", sagt Daniela Seidemann-Schawer, pädagogische Leitung der Hephata-Jugendhilfe in der Region Nord. Wöchentlich erreichen die drei hessischen Regionalbüros der Hephata Diakonie in Kassel, Schwalmstadt und Limburg neue Anfragen von Jugendämtern, die eine Pflegefamilie für Kinder suchen. 

Mit der neuen modularen Einarbeitungsreihe haben nun Interessierte die Möglichkeit, sich zunächst unverbindlich, aber intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Wir wollen Familien motivieren“, sagt Bettina Weith, die durch die Einarbeitungszeit gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitenden führt. 

Die Einarbeitung dauert etwa vier Monate und ist „grundsätzlich erst mal für alle offen, die überhaupt die Bereitschaft besitzen, ein Kind in ihre Familie zu integrieren“, sagt sie. Während der Einarbeitungszeit nehmen die Familien noch keine Kinder auf. „Zunächst geht es nur um die Zusammenarbeit zwischen uns als Jugendhilfe und den Interessierten als potenzielle Pflegefamilien. Dabei können alle Beteiligten gemeinsam schauen, ob sie sich diese Kooperation vorstellen können“, sagt Weith. 

Und so sind die Module aufgebaut (die Treffen sind zwei Mal monatlich geplant):

Zwei Fachberater*innen der Jugendhilfe organisieren ein Treffen bei einer interessierten Familie oder einem Paar. Es ist ein erstes Kennenlernen, bei dem das Umfeld der Familie im Fokus steht. „Das ist ein erstes, einfaches, nettes Treffen“, sagt Weith. Dabei wird auch schon auf die räumlichen Kapazitäten geschaut. „Voraussetzung ist beispielsweise ein Zimmer von zehn Quadratmetern, ohne dass der Rest der Familie zu sehr eingeschränkt ist.“

Bei einem weiteren Treffen geht es um die Motivation dafür, ein Kind aufzunehmen. „Haben die Interessierten beispielsweise schon eigene Kinder und wünschen sich noch eines, oder haben sie kein eigenes Kind und haben einen Kinderwunsch? Das wären zu klärende Fragen“, sagt Seidemann-Schawer. Dabei setzen die Fachberater*innen auf Ehrlichkeit, denn: „Haben kinderlose Paare einen großen Kinderwunsch, müssen wir sie auch darauf hinweisen, dass die Kinder weiterhin das Recht haben, ihre Eltern zu sehen“, erklärt Seidemann-Schawer. „Im Grunde leben die Kinder bei ihnen auf Zeit. Für uns ist es natürlich wünschenswert, wenn sie das Kind genau so lieben, wie das eigene und gleichzeitig auch die Eltern des Kindes akzeptieren. Das ist emotional schwer“, sagt sie. 

Mehrere Familien lernen sich bei einem Treffen innerhalb einer Gruppe kennen. Dabei wird methodisch gearbeitet, um Stärken und Schwächen kennenzulernen und sich gegenseitig zu helfen. „Wichtig ist währenddessen auch, dass wir dabei nichts beschönigen“, sagt Seidemann-Schawer. Die Kinder werden nicht grundlos über das Jugendamt an Pflegefamilien vermittelt. „Es geht um Kinder, die viele Herausforderungen mit sich bringen. Deswegen müssen wir auch schauen, ob die Familie die entsprechenden Ressourcen hat, um beispielsweise Auffälligkeiten beim Kind aufzufangen“, sagt Weith. Nicht zuletzt werden Konzepte zur Mitarbeit mit der Herkunftsfamilie erarbeitet. „Es gibt ein Besuchsrecht. Deshalb versuchen wir hier gemeinsam einen Prozess zu gestalten, um beiden Seiten entgegen zu kommen“, sagt Weith. 

Im letzten Teil geht es dann um die Formalitäten. Zum einen um die beiden Modelle: Betriebserlaubnis und Pflegeerlaubnis. Bei einer Betriebserlaubnis, die erteilt wird, nehmen Familien ein Kind auf und sind dann mit einer halben Stelle als pädagogische Fachkraft der Jugendhilfe angestellt, erklärt Seidemann-Schawer. Bei einer Pflegeerlaubnis kommt es nicht zu so einer Anstellung, dann wird das Erziehungsgeld vom Jugendamt gezahlt. Weitere Formalitäten wie beispielsweise das polizeiliche Führungszeugnis werden bereits im Vorfeld geklärt. 

„Wir freuen uns über jeden, der auf uns zu kommt“, sagt Seidemann-Schawer. "Mit den unverbindlichen Info-Modulen sollen vor allem erste Hürden genommen werden."