„Wir haben Deutsch gelernt und uns gut eingelebt. Manchmal fahre ich mit dem Zug in eine andere Stadt. Wenn ich dann wieder nach Treysa komme, komme ich nach Hause“, sagt Olena Pevnaya.

Oleh will nächstes Jahr seinen Hauptschul-Abschluss machen und eine Ausbildung zum Handwerker beginnen. In seiner freien Zeit trifft er sich mit Freunden, fährt nach Kassel oder Marburg. Oder er geht mit seinem Zwillingsbruder ins Fitness-Studio. Yehor macht in der Schule am liebsten Mathe. In seiner Freizeit spielt er beim FC Schwalmstadt Fußball. Oleh hat bereits ein Praktikum in einem Fahrradladen gemacht. Yehor ist dafür in ein Autohaus gegangen. Ihre Mutter hat gerade die Prüfung für den Sprachkurs B1 gemacht. Sie hofft, bald richtig arbeiten gehen zu können. Momentan verdient sie 120 Euro im Monat. Alle 3 sehen ihre Zukunft in Deutschland

„ Ich weiß, dass es meinen Kindern hier besser geht.“

Olena Pevnaya

In der Ukraine haben sie mit den Eltern und der Schwester von Olena Pevnaya gelebt. Heute haben sie nur noch über WhatsApp Kontakt zu ihnen. „Es ist schon schwierig ohne sie. Aber ich komme klar. Ich weiß, dass es meinen Kindern hier besser geht“, sagt Olena Pevnaya. Denn in der Ukraine hätten die Jungen vermutlich schon Soldaten werden müssen. Nach 4 Jahren in Deutschland kann die Familie den Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft stellen.

Momentan haben Mutter und Kinder eine Aufenthalts-Erlaubnis bis März 2025. So lange dürfen sie erstmal in Deutschland bleiben.

Auf dem Weg dahin hat ihnen Erzieherin Tanja Sawatzky (41) viel geholfen. Sie ist selbst mit 17 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Heute arbeitet sie in der Hephata-Jugendhilfe. Sie betreut unter anderem die Wohngruppe für Flüchtlinge aus der Ukraine. Diese gibt es seit März 2022. Die Wohngruppe bietet Platz für 27 Erwachsene und Kinder. Auch Olena Pevnaya, Oleh und Yehor haben hier 8 Monate gelebt. Danach sind sie in eine Wohnung in Schwalmstadt-Treysa gezogen.

Tanja Sawatzky hilft den Flüchtlingen im Alltag. Sie geht zum Beispiel mit zu Ämtern und Ärzt*innen. Oder sie stellt den Kontakt zu Kindertagesstätten, Schulen und Sportvereinen her. Mittlerweile haben in der Wohngruppe 82 Erwachsene und Kinder ein vorläufiges Zuhause gehabt. Von ihnen sind bis auf eine Familie alle in Deutschland geblieben.

Die Erzieherin hält auch nach dem Auszug aus der Wohngruppe den Kontakt. Viele Jugendliche kommen in ihr Büro am Marktplatz. Sie brauchen Hilfe bei Bewerbungen und der Suche nach Praktika und Ausbildungsplätzen.

„Die Menschen sind immer noch so dankbar für die Hilfe. Sie sind so froh, dass sie damals in die Wohngruppe der Hephata-Jugendhilfe kommen konnten“, sagt Sawatzky. „Manchmal erinnern wir uns an die erste Zeit und können jetzt über vieles lachen. Das ist damals nicht möglich gewesen. Die Menschen hatten gerade ihre Familien, Freunde und Heimat verlassen und große Angst.“

Seitdem haben Tanja Sawatzky und die Menschen aus der Ukraine zusammen viel erlebt. Die Erzieherin hat eine Frau bei der Risiko-Schwangerschaft und Geburt ihrer Tochter begleitet. Eine Familie hat sie unterstützt, als der Vater plötzlich gestorben ist. Und Olena Pevnaya hat sie Mut gemacht, als deren Mutter in der Ukraine operiert werden musste. „Ich habe mit den Menschen getrauert und gelacht. Ich habe jetzt schon mit ihnen fast alles erlebt, eine Geburt und eine Beerdigung. Ich hätte jetzt auch noch gerne eine Hochzeit.“