Doppeldiagnosen
Eine Herausforderung in Diagnostik, Beratung und Behandlung
„Gefühlt werden unsere Klient*innen und Patient*innen immer komplexer“, so PD Dr. Thomas Polak in seinem Vortrag bei der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) im Vortragsraum des Landratsamtes Würzburg am 30. Oktober 2024. Daten der World Health Organisation (WHO) aus dem World Health Report 2001 und dem Global Burden of Disease Projekt 2002 bestätigen den Eindruck unseres Chefarztes.
Dass die Doppeldiagnose (Abhängigkeitserkrankung und psychische Erkrankung) immer häufiger vorkommt, hat zwei Ursachen:
Anstieg psychischer Erkrankungen
Neuropsychiatrische Erkrankungen stehen an erster Stelle der Krankheiten, die uns produktive Lebensjahre durch Krankheit, Behinderung oder Tod nehmen. Besonders betroffen sind junge Menschen im Alter von 14 bis 44 Jahren. Zu den häufigsten Erkrankungen zählen Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen und schizophrene Psychosen. Diese Krankheiten übertreffen nicht nur andere psychische Erkrankungen, sondern auch alle somatischen Erkrankungen in ihrer Bedeutung.
Alkoholabhängigkeit und psychische Erkrankungen: Eine komplexe Wechselwirkung
Alkoholabhängigkeit und psychische Erkrankungen beeinflussen sich wechselseitig und verstärken oft die Symptome der jeweils anderen Erkrankung. Eine große epidemiologische Komorbiditätsstudie in den USA mit über 40.000 Teilnehmenden zeigte, dass das Risiko für Alkoholabhängigkeit bei Vorliegen einer anderen psychischen Erkrankung im Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich erhöht ist.
Besonders betroffen sind der Konsum illegaler Drogen einschließlich Cannabis (5,7-fach erhöhtes Risiko), Borderline-Erkrankungen (5,4-fach), antisoziale Persönlichkeitsstörungen (4,8-fach), histrionische Persönlichkeitsstörungen (4,7-fach) und abhängige Persönlichkeitsstörungen (3,0-fach). Auch affektive (2,6-fach) und Angsterkrankungen (1,7-fach) erhöhen das Risiko signifikant (Stinson et al., 2005; Tomko et al., 2013; Trull et al., 2020).
Umgekehrt zeigen 53% aller Menschen mit Substanzmissbrauch und -abhängigkeit eine andere psychische Erkrankung (Regier et al., 1993). Es ist oft unklar, ob die Abhängigkeit oder die andere psychische Erkrankung zuerst auftrat. Unstrittig ist jedoch, dass eine Komorbidität die Prognose verschlechtert. Doppeldiagnosen sind daher für alle relevant, die in der Beratung, Betreuung oder Behandlung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen tätig sind. In unserem Arbeitsalltag in Beratungsstellen, Ambulanzen, Praxen und Kliniken begegnen wir immer häufiger Menschen mit solchen Doppeldiagnosen. Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden und integrierten Versorgung, um den komplexen Bedürfnissen dieser Patienten gerecht zu werden.
Unser Angebot in der Fachklinik Weibersbrunn
In der Fachklinik Weibersbrunn tragen wir den besonderen Herausforderungen von Doppeldiagnosen mit einem breitgefächerten Angebot Rechnung. Unser Spektrum umfasst:
- Diagnostik und Therapie: Fachärztliche und psychologisch-sozialpädagogisch-psychotherapeutische Diagnostik und Therapie mit Indikationsgruppen für Depressionsbewältigung, Achtsamkeit und soziale Kompetenz.
- Ernährungsberatung und Kochkurse: Durch unsere Oecotropholog*in.
- Physiotherapie und Bewegungstherapie: Durch unsere Physiotherapeut*in und Sporttherapeut*innen.
- Ergotherapie: Zur Förderung der motorischen und kognitiven Fähigkeiten.
- Aromatherapie, Akupunktur und Entspannungsbäder: Durch unser Pflegepersonal.
- Lichttherapie: Besonders in der dunklen Jahreszeit sehr geschätzt.
Doppeldiagnosen sind für alle relevant, die in der Beratung, Betreuung oder Behandlung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen tätig sind. Diese Herausforderung können wir nur gemeinsam bewältigen.
