Offene Selbsthilfe, wie wir sie heute kennen, gibt es erstmals nach den sozialen Umwälzungen der 1960er Jahre. In dieser Zeit wandelt sich das Bild der Suchterkrankung vom moralischen Mangel hin zur Krankheit.

Dass sich Menschen öffentlich zu ihren Problemen bekennen können, ohne gesellschaftliche oder strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, macht Selbsthilfegruppen überhaupt erst möglich. Gleichzeitig entsteht ein neuer Gesundheitsbegriff, der eine aktive, eigenverantwortliche Rolle mündiger Patientinnen und Patienten fördert und auf Eigeninitiative setzt. Psychotherapie findet häufiger in Gruppen statt. Das trägt maßgeblich zur Entstehung von Selbsthilfegruppen bei.

Vertraulich über Herausforderungen sprechen

Selbsthilfegruppen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Authentizität aus. Was die Teilnehmenden in Selbsthilfegruppen erzählen, haben sie in der Regel so oder so ähnlich selbst erlebt. Das unterscheidet sich von dem Wissen von Therapeutinnen und Therapeuten.

Voraussetzung dafür, dass in Selbsthilfegruppen offen miteinander gesprochen werden kann, ist Vertraulichkeit. Es gilt der Grundsatz: Was in der Gruppe besprochen wird, bleibt in der Gruppe. 

Studien belegen den Erfolg von Selbsthilfegruppen: Wer kontinuierlich eine Selbsthilfegruppe besucht, hat eine mehr als doppelt so hohe Aussicht auf Abstinenz wie jemand, der gar nicht hingeht. Wichtig dabei ist, dass die Selbsthilfegruppe kontinuierlich und nicht nur gelegentlich besucht wird. 

Auch die Fachklinik Weibersbrunn folgt diesem Prinzip. Wenn Patient*innen während ihrer mehrwöchigen Rehabilitationsbehandlung für mehrere Tage nach Hause fahren möchten, müssen sie vorher an mehreren Sitzungen einer Selbsthilfegruppe teilnehmen. So können die Patient*innen die Strategien, die sie während der Behandlung gelernt haben, in ihrem eigenen Alltag ausprobieren.

Eine Übersicht mit welchen Selbsthilfegruppen die Fachklinik zusammenarbeitet und wo diese sich treffen, finden Sie hier: 

Selbsthilfegruppen als unverzichtbarer Teil der Suchthilfe: Empfehlungen der S3-Leitlinien

Selbsthilfegruppen sind ein wichtiger Teil des Suchthilfesystems – vor, während oder nach therapeutischen oder beratenden Maßnahmen oder auch als Alternative dazu. Die regelmäßige und langfristige Teilnahme an Selbsthilfegruppen wird in den aktuellen S3-Leitlinien zu Alkohol und alkoholbezogenen Störungen empfohlen. Diese Empfehlung gilt für alle Phasen der Beratung und Behandlung und alle Bereiche, in denen Menschen mit Alkoholabhängigkeit Hilfe suchen. Auch Angehörige sollten in jeder Phase der Behandlung einbezogen werden.

Selbsthilfegruppen

Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland 70.000–100.000 Selbsthilfegruppen in Deutschland. Die Wirksamkeit von Selbsthilfegruppen ist trotz der methodischen Schwierigkeiten der Untersuchung in zahlreichen Studien belegt. Große Übersichtsarbeiten zeigen, dass Selbsthilfegruppen so effektiv sein können wie verhaltenstherapeutisches Skills-Training und sogar verhaltenstherapeutischen Ansätzen überlegen sein können, was die kontinuierliche Abstinenz anbelangt.