„Schichtwechsel“ lautete das Motto am 10. Oktober 2024 in den Hephata-Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) und kooperierenden Unternehmen und Institutionen. Für einen Tag wechselten am bundesweiten Aktionstag Schichtwechsel, neun Klient*innen Hephatas die Arbeitsplätze mit Menschen ohne Behinderungen.
Die Klient*innen der Sozialen Teilhabe (ehemals Behindertenhilfe) und der Sozialen Rehabilitation Hephatas besuchten den Bauhof der Stadt Schwalmstadt, verschiedene Abteilungen des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV) in Kassel, die Firma VolaPlast GmbH & Co. KG in Spangenberg sowie die Hessische Landesvertretung in Berlin. Der Aktionstag wurde von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG Werkstatt) vor acht Jahren ins Leben gerufen. Das Ziel: Vorurteile abbauen und Menschen mit und ohne Behinderungen auch beim Thema Arbeit einander näher bringen.
Bauhof Stadt Schwalmstadt
„Dann lasst uns mal die Hochbeete aufladen!“ Reyk König, stellvertretender Leiter des Bauhofs der Stadt Schwalmstadt, und sein Team hatten sich für Donnerstag einiges vorgenommen. Und bekamen dabei Unterstützung von Kevin Rothauge und Gabriel Schmidt, Klienten der Hephata-Metallwerkstatt in Ziegenhain. „Wir haben im Bauhof schon Erfahrungen mit Klienten Hephatas auf Betriebsintegrierten Beschäftigungsplätzen (BiB) gesammelt. Das waren sehr positive Erfahrungen. Die Leute waren sehr aufgeschlossen, freundlich und bemüht und mein Team auch offen und bemüht, sie einzubinden.“ Aus diesem Grund sei es selbstverständlich gewesen, beim Aktionstag mitzumachen. „Der Bauhof ist vielseitig bietet viele Bereiche, neben der Grünpflege auch die Stadtreinigung, Schreinerei, Kfz-Werkstatt, Elektrik und Pflege des Friedhofs. Die Klienten unterstützen uns am Aktionstag in der Grünpflege.“
VolaPlast Spangenberg
Zur gleichen Zeit war Tom Kraneis* am Donnerstagmorgen damit beschäftigt, einen Überblick über den Abfallentsorgungs- und Recyclingbereich der Firma VolaPlast GmbH & Co. KG zu bekommen. Das Unternehmen zählt zu den modernsten Kunststoff verarbeitenden Unternehmen Europas mit Sitz in Spangenberg. In Nachbarschaft zu Tom Kraneis aktuellen Wohn- und Arbeitsort: Der 29-Jährige arbeitet auf dem Bio-Hofgut Halbersdorf, einer Einrichtung zur sozialen und beruflichen Rehabilitation von alkohol- und/oder medikamentenabhängigen Erwachsenen in der Nähe von Spangenberg, und wohnt mit drei anderen Klienten in einer Außenwohngruppe des Hofguts.
„Ich hatte gehört, dass hier mit Kunststoff gearbeitet wird. Mir gefällt es gut, ich habe mir schon viel angeschaut und erklärt bekommen. Das ist beeindruckend“, so Kraneis. Sein Tauschpartner an diesem Tag war Marco Range, kaufmännischer Mitarbeiter in der Logistikabteilung: „Jeder von uns kann in eine missliche Lage kommen und Hilfe benötigen. Man darf niemanden vorverurteilen, es kann jedem so gehen.“ Range sah die Beteiligung am Aktionstag auch als eine Möglichkeit, einen Beitrag dazu zu leisten, „Menschen mit Behinderungen einen Einblick zu verschaffen und so vielleicht dazu beizutragen, dass sie an ein reguläres Arbeitsleben herangeführt werden können“. Nach dem Abfallentsorgungs- und Recyclingbereich lernte Tom Kraneis auch das Lager/die Kommissionierung des Unternehmens kennen. Und danach ging es anders herum.
*Name von der Redaktion geändert
Bio-Gut Halbersdorf
„Wie ist das mit der Einteilung der Klienten, suchen sie sich ihre Arbeit selbst aus? Wie lange bleiben die Klienten auf dem Hofgut? Und wo kommen die ganzen Kartoffeln her?“ - diese und andere Fragen hatte Marco Range bei seinem Gegenbesuch auf dem nach Bioland-Richtlinien zertifizierten Hofgut im Gepäck. Antworten gab es bei einem gemeinsamen Mittagessen in der Kantine des Hofguts, einem Rundgang über den Hof, vorbei an den Ställen für Kälber und Schweine und der Kartoffelverarbeitung, sowie bei einem kleinen Arbeitseinsatz an der Kartoffelsortiermaschine. „Ich habe auf jeden Fall eine andere Sichtweise und einen anderen Hintergrund als vorher bekommen, weiß jetzt auch, was da alles dranhängt“, so Range.
WfbM Ziegenhain
„Wir waren schon öfter als Kunde hier, haben Anhänger oder auch Ersatzteile gekauft. Es ist aber noch mal was anderes, wenn man so einen Einblick wie heute bekommt,“ sagte auch Reyk König. Gemeinsam mit seinen Kollegen Kevin Nette und Carsten Kurz sowie Schwalmstadts Erstem Stadtrat Lothar Ditter besuchte er Kevin Rothauge und Gabriel Schmidt an deren Arbeitsplätzen. Nach einem Rundgang durch die WfbM in Ziegenhain standen für die Mitarbeiter des Bauhofs dann Montagearbeiten, Sägen und Bohren an. „Ich bin begeistert von dem Tag und den beiden. Sie waren stark engagiert. Das war eine Bereicherung für uns“, so König.
Gabriel Schmidt: „Der Tag hat mir sehr viel Spaß gemacht und war abwechslungsreich. Mir hat auch gefallen zu erklären, was wir hier machen. Ich habe mich gut mit ihnen verstanden. Es war gut, dass ich bei dem Tag mitgemacht habe. Ich kann es nur empfehlen.“ Als Erinnerung an den Schicht- und Perspektivwechsel gab es für den Bauhof einen Profi-Kehrbesen aus der Bürsten- und Besenmacherei der WfbM, der jetzt noch individuell gebranded wird. Gabriel Schmidt: „Wenn er fertig ist, bringe ich ihn Euch vorbei.“
Werkstätten für Menschen mit Behinderungen
Die Hephata-Werkstätten (WfbMs) sind staatlich anerkannte Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Sie ermöglichen Menschen die Teilhabe an Arbeit, bei denen aufgrund einer Behinderung eine Ausbildung, Qualifizierung oder Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht oder noch nicht möglich sind.
Bei der Hephata Diakonie gibt es Werkstätten in den Geschäftsbereichen Soziale Rehabilitation und Soziale Teilhabe (früher Behindertenhilfe). Hier sind Menschen beschäftigt, die körperliche, geistige oder seelische Behinderungen und/oder Abhängigkeitserkrankungen haben oder davon bedroht sind. Die Standorte der Werkstätten sind in Fritzlar, Ziegenhain, Treysa, Jesberg, Spangenberg, Leuderode, Alsfeld und Breitenbach am Herzberg.
Der Einstieg in die Hephata-WfbMs ist der Berufsbildungsbereich, der sich in drei Monate Eingangsverfahren und 24 Monate Berufsbildung untergliedert. Danach folgt der Arbeitsbereich mit verschiedenen Arbeitsfeldern. Hier werden auch arbeitsbegleitende Maßnahmen (beispielsweise Fortbildungen, Sport- und Kreativ-Angebote) angeboten. Menschen, die aufgrund ihrer Behinderungen keiner regelmäßigen Tätigkeit in den WfbMs nachgehen können, besuchen tagesstrukturierende Alternativangebote.
In der WfbM der Sozialen Rehabilitation gibt es die Arbeitsfelder Schälbetrieb, Schreinerei/Drechslerei, Hauswirtschaft, Landwirtschaft, Garten-/Landschaftsbau, Aktenvernichtung und -digitalisierung, Abpackung, Digitaldruck, Versand, Metallverarbeitung, Montage und Dienstleistung. In der WfbM der Sozialen Teilhabe gibt es die Arbeitsfelder Montage und Verpackung, Gärtnerei, Technische Fertigung mit CNC-Fertigung und Pkw-Anhängerbau, sowie Hauswirtschaft.
In der Sozialen Rehabilitation besuchen 50 Klient*innen den Berufsbildungsbereich, auf Betriebsintegrierte Beschäftigungsplätzen (BiBs) sind 25 und im Arbeitsbereich 300 Klient*innen beschäftigt. In der WfbM der Sozialen Rehabilitation arbeiten 113 Mitarbeitende in verschiedenen Zeit- und Arbeitsmodellen. In der Sozialen Teilhabe (früher Behindertenhilfe) besuchen 30 Klient*innen den Berufsbildungsbereich, 60 sind auf Betriebsintegrierten Beschäftigungsplätzen (BiBs) und 400 im Arbeitsbereich der WfbM tätig. In der WfbM der Sozialen Teilhabe arbeiten 150 hauptamtliche Mitarbeiter*innen in verschiedenen Zeit- und Arbeitsmodellen.